Jürgen Gerdes

Jürgen Gerdes, Konzernvorstand Deutsche Post DHL

Die Deutsche Post DHL zählt zu den größten Arbeitgebern in Ostdeutschland. Mit 18 Brief- und acht Paketzentren und dem europäischen Drehkreuz der Express-Tochter DHL sind die Standorte in den neuen Bundesländern auch innerhalb des Konzerns tragende Säulen. Brief- und Paketvorstand Jürgen Gerdes, der zudem den Geschäftsbereich E-Commerce des weltgrößten Logistikers verantwortet, zieht 25 Jahre nach dem Mauerfall eine positive Bilanz – und will den Konzern in die Zukunft führen.

Herr Gerdes, die Mauer ist vor 25 Jahren gefallen, die Deutsche Post DHL hat von Beginn an in Ostdeutschland Flagge gezeigt und in neue Standorte investiert. Hat sich das Engagement gelohnt?
Natürlich hat es sich gelohnt. Dass das zweigeteilte Deutschland so zusammenwachsen konnte, hatte im Herbst 1989 niemand vermutet. Die Mauer ist friedlich gefallen – ohne Gewalt. Darauf dürfen wir in Deutschland besonders stolz sein, genauso wie auf den Aufbau, der nach der Wiedervereinigung geleistet worden ist.

Die Post musste doch Milliarden in die Hand nehmen, um die beiden Staatsbetriebe zu einem einheitlichen und konkurrenz-fähigen Unternehmen zu formen. Wie viel hat Sie das gekostet?
So einen historischen Glücksfall im Nachhinein in Cent und Euro aufzurechnen, würde ein falsches Bild zeichnen. Unsere Mitarbeiter in Ost und West haben Hervorragendes geleistet und die Post zu dem gemacht, was sie heute ist: ein schlagkräftiges und konkurrenzfähiges Unternehmen, das auch noch Marktführer in der Qualität ist. Diesen Riesenerfolg und damit auch das hohe Ansehen bei unseren Kunden haben alle Postlerinnen und Postler nach der Wiedervereinigung gemeinsam hart erarbeitet. Dafür gebührt ihnen ein riesengroßes Dankeschön. Die Investitionen gehen in die Milliarden.
Eine Summe zu nennen, ist aber wenig aussagefähig, weil wir kontinuierlich in unsere Standorte investieren. Nur so viel: Allein für das DHL-Drehkreuz in Leipzig haben wir 500 Millionen Euro in die Hand genommen - und auch dort wird weiter kräftig in die Modernisierung investiert. Leipzig ist für uns ein bedeutender Standort.

Gab es bei der Integration Probleme?
Bei jeder Integration von zwei Unternehmen treten Probleme auf. Wir mussten einen sehr schwierigen Transformationspro-zess durchlaufen, der auch viele Menschen den Job gekostet hat. In der Summe haben wir dies aber so sozialverträglich wie möglich gestaltet. Auch auf diese Leistung können wir stolz sein - was übrigens nicht nur für die Post in der DDR gilt.

Für die Post in der DDR – wie ist das zu verstehen?
Nicht nur die DDR-Post ist ein Restrukturierungsfall gewesen, die Bundespost war es auch. Beide Unternehmen mussten sich von einer benutzerorientierten, abfertigenden und personalintensiven Leistungsverwaltung zu einem kundenfreundlichen Unternehmen wandeln. Dies hat sich in Ost- und Westdeutschland parallel vollzogen. Deswegen haben wir von Anfang an die Zusammenführung als einen gemeinsamen Prozess verstanden und sind deshalb wohl auch eines der ersten Unternehmen, das flächendeckend die ersten Schritte in einem gemeinsamen Deutschland gemacht hat. Heute, 25 Jahre nach dem Mauerfall, blicken wir auf eine fantastische Entwicklung. Heute sind wir in Bezug auf Qualität und Leistungsfähigkeit auch international der Maßstab in unserer Branche und arbeiten daran, das Unternehmen und die Arbeitsplätze weiter fit für die Zukunft zu machen.

Fit für die Zukunft? Was sind die großen Herausforderungen?
Wir stehen praktisch vor einer neuen Revolution. Das Internetzeitalter ist angebrochen und wird die Gesellschaft tief greifender verändern, als wir es jetzt schon erleben. Die Deutsche Post DHL will dies aktiv mitgestalten und richtet ihre Geschäftstätigkeit darauf aus. Logistik ist heute weit mehr, als nur einen Brief oder ein Päckchen von A nach B zu befördern. Die Frage ist, ob wir es schaffen, die richtigen Dienstleistungen anzubieten. Nur dann können wir auch ein erfolgreiches Unternehmen bleiben. Aber ich bin mir sicher, dass uns das gelingen wird.

Und wie?
Auf den Punkt gebracht, bedeutet das: Wir wollen unseren Kunden das Leben leichter und einfacher machen!

Könnten Sie Beispiele geben?
Über unseren Lieferservice Allyouneed.com können schon heute unsere Kunden ihre Lebensmittel im Internet bestellen. Wir bringen sie dann schnell, frisch und kostengünstig bis an ihre Haustür. Egal, wo in Deutschland. Zusätzlich kann man sich in vielen Ballungszentren sogar zu einer Wunschzeit am Abend beliefern lassen. Das werden wir jetzt Schritt für Schritt bundesweit auf alle Großstädte ausdehnen. Dies ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie der E-Commerce unser Leben verändern wird. Wenn wir diesen Prozess mit dem Bergsteigen vergleichen, befinden wir uns noch im Basislager. Der Gipfel ist noch weit entfernt. Der elektronische Handel über das Internet wird somit bei uns auch in Zukunft weiter für beachtliches Wachstum sorgen.

Dafür bröckelt aber das klassische Briefgeschäft. Oder?
Es wird weniger, aber ist immer noch eine große Stütze unseres Geschäftes. Allein in Ostdeutschland haben wir 18 hochmoderne Briefzentren, die ausgelastet sind. Wir stellen in der Regel die Sendungen nach einem Tag zu, egal ob sie nach Hiddensee oder zum Rennsteig gehen. Damit ist der Brief nach wie vor konkurrenzfähig. Und mit Untergangsprognosen bin ich sowieso vorsichtig. Früher sagten alle, das Paketgeschäft werde sterben, heute brummt es. Unsere Packstationen, inzwischen mehr als 2600 an der Zahl, haben sich längst etabliert, und auch unser neuer Paketkasten entwickelt sich prächtig.

Trotzdem haben Sie den E-Postbrief erfunden...
Tatsache ist, dass sich das Kommunikationsverhalten ändert. Darauf haben wir reagiert. Die E-Post ist unsere Antwort. Unsere Kunden müssen sich dabei um nichts mehr kümmern. Sie sparen Druckerpatronen, Papier und Umschläge und vor allem – Zeit! Sie können ihre Dokumente archivieren, problemlos Rechnungen bezahlen und wer in den Urlaub fährt, hat seinen elektronischen mobilen Briefkasten immer dabei und kann keine wichtigen Nachrichten oder Termine mehr versäumen. Das ist eine Innovation, die das Leben erleichtert.

Sie haben jetzt mit der App SIMSme einen Messenger-Dienst gestartet. Was steckt dahinter?
Wir machen Nachrichten sicherer. Durch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gewährleisten wir einen verlässlichen und kosten- losen Schutz von Absender und Empfänger. Mit diesem System braucht sich niemand darüber Gedanken zu machen, ob er aus- gespäht wird, denn wir speichern keine Nachrichten oder Fotos wie andere solcher Dienste. SIMSme bietet das Briefgeheimnis auch für die Handy-Kommunikation.